Montag, 19. August 2013

John Gilbert - You don't know Jack! Teil 4

Jack erlebt ab 1924 beruflich seinen absoluten Triumph! Die Filmfans lieben ihn. Die Filme, in denen er mitspielt sind Kassenschlager.
Privat aber schafft Jack es nicht sein Leben in gute Bahnen zu bringen - er trinkt zu viel, er raucht zu viel und er hat ständig Frauengeschichten. Seine extremen Stimmungsschwankungen machen ihm und anderen das Leben schwer, auch wenn alle seine Freunde berichten wie charmant und liebenswert er war. Wenn es ihm schlecht ging, war er dünnhäutig und es kam zum Streit ...
Dabei könnte er einfach sein Leben genießen und sich mit seiner Vergangenheit versöhnen. Die Welt liegt ihm zu Füßen!

1927 trifft Jack Greta Garbo. Die Romanze der beiden ist mittlerweile Hollywood-Legende.
Jack folgt alten Mustern und will die Garbo direkt heiraten - diese möchte aber niemals heiraten.
Es folgt einiges hin und her, es werden mehrere Hochzeittermine angesetzt, die noch heute die Phantasie beflügeln. (Davon hab ich schon gar keine Lust zu schreiben, man mag es sich woanders anlesen.)

Als Jack klar wird, dass die Garbo ihn nicht heiraten wird (oft genug hat er es versucht), folgt eine neue wieder extrem schnelle Hochzeit. Seine neue Ehefrau ist die Schauspielerin Ina Claire.
Zwar üben beide theoretisch den gleichen Beruf aus, aber es gibt einen Unterschied, der damals noch größer war als jetzt: Ina Claire ist renommierte Broadway-Theaterschauspielerin, Jack ist bejubelter Filmstar.

Film und Filmleute hatten damals einen sehr schlechten Ruf, der sich nur langsam besserte. Film war vor allem bei den armen Einwanderern beliebt, die noch kein (oder nur schlecht) Englisch sprachen. Theaterschauspieler sahen auf Filmschauspieler herab, selbst wenn ein Theaterschauspieler kein Engagement hatte, überlegte er es sich dreimal ob er in einem Film auftrat. Gegen Ende der 1920er Jahre änderte sich das langsam, denn immer mehr renommierte Theaterschauspieler traten nun in Filmen auf - ab dem Tonfilm würden es noch viel mehr werden.

1929 entsteht Jacks erster Tonfilmauftritt.
Der Film "Hollywood Revue of 1929" ist ein Episodenfilm in dem alle MGM Stars (außer der Garbo) dem Publikum zum ersten Mal im Tonfilm gezeigt werden. Nur einige Szenen sind in Farbe gedreht. Bei den meisten Szenen handelt es sich um musikalischen Tanznummern. Joan Crawford hat hier auch ihren ersten Tonfilmauftritt und wie immer, schafft sie durch harte Arbeit nicht nur eine Sprechpassage gut zu präsentieren, sondern sie singt und tanzt auch noch.

Jack ist zu diesem Zeitpunkt der höchstbezahlte Schauspieler, nicht nur der MGM, sondern der kompletten Filmbranche! Er soll eine Romeo und Julia Szene spielen, denn schließlich ist er ja der berühmte romantische Held. An seine Seite stellte die MGM zwei Großkaliber. Als Regisseur der Szene sehen wir den sehr renommierten Charakterdarsteller Lionel Barrymore (der allerdings schon schwerer Alkoholiker war). Als Julia sehen wir Norma Shearer, die Ehefrau des Star-Produzenten Irving Thalberg (ein guter und einflußreicher Freund von Jack).

Norma Shearer wird ihren großen Erfolg erst im Tonfilm erleben - sie wird einen Oscar gewinnen und mehrfach nominiert werden. Lionel Barrymore wird vor allem mit seiner Alkoholsucht kämpfen ... und Jack wird einfach nicht an seine großen Erfolge anknüpfen können.

Dieser Filmausschnitt ist mittlerweile mystisch überhöht. Louis B. Mayer, der Chef von MGM habe an der Tonspur gedreht, damit Jacks Stimme hoch und unmännliche wirke. Davon ist hier nichts zu hören. Und warum sollte Louis B. Mayer, der zwei Dinge liebte, nämlich seine Mutter und Geld (in dieser Reihenfolge!) seinen bestbezahlten Star vor die Hunde gehen lassen? Mayers Investment wird er nicht absichtlich in den Sand gesetzt haben.

Aber die Präsentation ist einfach grauenhaft ... obwohl alle ihr Bestes geben!
Das Publikum liebte bisher große romantische Gesten, schwelgende intensive Blicke. Das funktioniert im Stummfilm aufs Beste!
Wenn man auch Gespräche dabei führt, wirkt es schnell gekünstelt. Und das ist hier passiert.
Auch hat sich die MGM keinen Gefallen damit getan diese Szene in Farbe zu drehen ... Norma Shearer sieht fast wie ein Clown aus ... ein bißchen viel Rouge!
Und Jack trägt einen Glitzerumhang mit Glitzerbrosche.
Der Balkon ist doch eher ... ehm ... ebenerdig?

Nachdem die Szene "klassisch" romantisch interpretiert wurde, kommt ein Telegramm der Produzenten. Der Film solle nun "The Neckers" (Die Knutscher) heißen. Also spielen Norma und Jack die Szene "modern".
Dazu kommen die Probleme, die man technisch noch nicht im Griff hatte - Geräusche wirken laut und schrill. Man kann Norma Shearer und Jack sich küssen HÖREN. (Dieses Problem hatten alle frühen Tonfilme.) Die Kamera war wieder statisch, denn die Tonaufnahmegeräte waren groß und kompliziert. Aus dem Stummfilm war man wundervolle Beleuchtung, romantische Kamerafahrten und Nahaufnahmen gewohnt!

Jack wirkt nicht authentisch!!
"Julie, baby, I'm gaga about you!" Oh echt??
Symphatisch wirkt er nur als er sich selbst spielt ...

All das, was in den frühen Tonfilmen passiert wirkt unheimlich gewollt und steif ... kein Wunder, dass der Film "Singin' in the Rain" sich über diese Szene lustig machen wird!

Hat das Publikum einmal beschlossen, dass etwas lächerlich ist, ist es schwer wieder ernstgenommen zu werden. Das war Jacks Problem in der Tonfilmzeit. Nicht mehr, nicht weniger.

Seine neue Ehefrau versucht ihm zu helfen, die Situation entwickelt sich aber desaströs für Jack.
Auf der Hochzeitsreise fragt ein Reporter Ina, wie es ist mit einem Star verheiratet zu sein? Ina antwortet, keine Ahnung, fragen sie doch meinen Mann!
Dabei ist JACK der umjubelte Star! Ina Claire ist den berühmten Kritikern und Publikum in New York und den USA ein Begriff, Jack kennen aber Menschen in aller Welt, denn Stummfilme können in jedem Land problemlos gespielt werden und seine Stummfilme sind momentan absolute Kassenschlager überall. In Europa werden sie immer von Jacks Fan umlagert!
Auch in Europa ist Jack der romantische Traummann aller Frauen. Ina Claire reagiert darauf verschnupft, massregelt und belehrt Jack. Damit kann er kaum umgehen. Er ist sich schmerzlich bewußt, dass er nie eine ordentliche Schulbildung erhielt. Dies versucht er damit gut zu machen, dass er ein Buch nach dem anderen liest. Dieses Thema bleibt für ihn ein schmerzliches Minenfeld, welches Ina Claire fröhlich bepflügt.

Für den unsicheren Jack ist das katastrophal. Als das Ehepaar nach ihren Flitterwochen aus Europa zurückkehrt, kommen Boten des Filmstudios zum Schiff in den Hafen und überreichen Jack die absolut desaströsen Filmkritiken zu seinem ersten Tonfilm (His Glorious Night) ...
Schnell zeichnet sich ab, dass auch diese Ehe in eine Scheidung münden wird. Denn Ina ist ihm weder Trost noch Stütze.

Der US Census 1930 fand ab dem 1. April 1930 statt.
Datensatz bei familysearch findet man hier.
Scans kann man sich auf ancestry anschauen, es reicht aber auch diesmal nur die Daten zu betrachten:
John Gilbert wurde in Los Angeles dokumentiert, sehr wahrscheinlich in seinem Haus.
Head ist John C. Gilbert
32 Jahre, geboren in Utah
Seine Ehefrau ist Ina Claire Gilbert
33 Jahre, geboren in District of Columbia
Es leben ganze vier Bedienstete in seinem Haushalt.

Die Ehe von Ina Claire und Jack wird 1931 geschieden.

Und wieder kommt es zu einer schnellen Hochzeit mit einer Filmkollegin ("Downstairs"), diesmal ist es Virginia Bruce, die seine letzte Ehefrau werden sollte.
Datensatz bei familysearch findet man hier.
Am 10. August 1932 heiraten
John C. Gilbert, 35 Jahre, aus Utah, wohnhaft in Beverly Hills
und
Virginia Helen Briggs [Künstlername Virginia Bruce], 21 Jahre, aus Minnesota, wohnhaft in Beverly Hills.

Es folgt eine schlechte Zeit für Jack. Auch diese Ehe wird innerhalb kürzester Zeit zu einem absoluten Desaster. Und er kämpft darum seine Karriere wieder in Fahrt zu bringen. Die Tonfilme, die er dreht, wollen dem Publikum einfach nicht gefallen. Die großen Erfolge, die er noch vor kurzer Zeit hatte, wollen sich nicht wieder einstellen. Der Massengeschmack ändert sich, Clark Gable ist jetzt der Traummann aller Frauen ...
Aber es ist nicht so, dass sich die Welt gegen ihn verschworen hätte. Die Garbo zwingt die MGM John Gilbert in eine Nebenrolle in ihrem Erfolgsfilm "Queen Christina" (1933) zu besetzen.

Am 2. August 1933 wird Jacks zweite Tochter Susan Ann Gilbert geboren.
Datensatz bei familysearch.

1934 lassen sich Jack und Virginia scheiden. Um die Scheidung entsteht eine kraftraubende Schlammschlacht. Jack versinkt im Suff, Drogen und Frauengeschichten. Und plötzlich sieht er mindestens zehn Jahre älter aus als er ist!

1935 beginnt Jack mit Marlene Dietrich eine Affäre. Und wieder hat Jack Glück, denn Marlene ist privat die typische "deutsche Hausfrau". Sex findet sie eher anstrengend, für Marlene drückt sich Liebe vor allem im Bemuttern aus. Welch Glück für Jack! Marlene bringt ihn vom Alkohol ab, versucht ihn auch das Rauchen abzugewöhnen. Sie kocht für ihn, peppelt ihn auf. Und sie beschafft Jack einen Screen Test für ihren nächsten großen Film "Desire".

Ausschnitt aus Doku "Silent Hollywood" von Kevin Brownlow. Springt direkt dahin, wo der Screen Test zu sehen ist. (Sam Marx ist dazwischen geschnitten, unbedingt weitergucken um den kompletten Screen Test mit Jacks Lächeln am Ende zu sehen.)

Jack wollte Marlene zunächst nicht beim Screen Test dabei haben, sie wollte aber unbedingt. Und damit hatte er wieder Glück, denn Marlene, die bei von Sternberg das Lichtsetzen gelernt hatte und immer ihre eigenen Sets einleuchtete, richtete den Set für Jack ein. Er sieht plötzlich um Jahre jünger aus! (Marlene hat auch sein Kostüm ausgewählt um "von seinem alten Gesicht abzulenken".)

Er bekam die Rolle! Aber ausgerechnet jetzt rächte sich sein Lebensstil - im Dezember 1935 erlitt er einen schweren Herzinfarkt. Er musste im Film ersetzt werden.

In der Nacht vom 8. Januar zum 9. Januar 1936 war Jack mit Marlene Dietrich in seinem Haus in Beverly Hills. Hier erlitt er einen zweiten Herzinfarkt, den er nicht überlebte.
Marlene holte medizinische Hilfe und flüchtete aus dem Haus um einen Skandal zu vermeiden. Die Ärzte kämpften über eine Stunde um Jacks Leben. Am frühen morgen wurde er für tot erklärt.

Jack Gilbert wurde nur 38 Jahre alt.

Jacks Totenschein ist online nicht zu finden.
Was ich finden konnte waren zwei Einträge in den Sterberegistern von Los Angeles.
In den Sammlungen "California, County Birth and Death Records 1849-1994" und "California, Death Index, 1905-1939".
Beide Sammlungen sind momentan nicht indexiert und damit nicht durchsuchbar. (Vielleicht bei ancestry?) Zu finden ist Jack jeweils in den Sterbebüchern als kurzer Eintrag, der auf die Sterbeurkunde verweist. Die Sterbeurkunden aus diesem Zeitraum sind auch online. Wie gesagt, konnte ich Jacks Totenschein nicht finden. Also bleiben erstmal nur die beiden Einträge in den Sterberegistern.



Beigesetzt wurde er auf dem Forest Lawn (findagrave.com) Friedhof in Glendale, California.
Wie aus zeitgenössischen Zeitungen (die übers Internet zu finden sind) zu entnehmen ist, wurde er am 11. Januar 1936 eingeäschert und dann beigesetzt. Anwesend waren Leatrice Joy, Virginia Bruce (jeweils mit Jacks Töchtern), Marlene Dietrich und weitere Hollywood Freunde von Jack.

Es tauchte ein Testament auf, welches Virginia Bruce gegünstigte. Marlene Dietrich schaltete sich ein, es gäbe ein neueres Testament, welches vor allem seine Töchter bedachte! Aber Virginia Bruce "räumte" im wahrsten Sinne ab. Sie versteigte alles was Jack besaß (darunter seine gebrauchten Kleidungsstücke) und das auf eine Art, die man nur Leichenfledderei nennen kann. Am prominentesten versteigerte sie Jacks Bett ...

Hier sieht man eine alte gemalte Werbung, die auf ein Hotel verwies, welches Jacks Bett ersteigerte hatte. Ich kann mich erinnern, dass ich sogar mal Fotos von diesem Bett im Internet gesehen habe und es gab zu diesem Zeitpunkt immer noch ein Hotel, in dem man in John Gilbert's Bett übernachten konnte.

Beim nächsten Mal schauen wir mal, was wir über Jacks Eltern erfahren können.

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